Es ist mittlerweile eine kleine Tradition: Seit drei Jahren bin ich jeden Sommer mit dem Gravelbike in Österreich unterwegs – und jedes Mal entdecke ich eine neue Seite dieses vielseitigen Landes. Nach Vorarlberg, Tirol, dem Salzburger Land und dem Salzkammergut war in diesem Jahr der Osten dran. Genauer gesagt: Niederösterreich.
Ich habe dort weitergemacht, wo ich letztes Jahr aufgehört habe – in Freistadt, gleich vor der Landesgrenze in Oberösterreich. Von hier ging es in vier Tagen quer durchs Land, vorbei an Moorlandschaften, über weite Wiesen, durch dichte Wälder und kleine Orte, in denen die Zeit ein bisschen langsamer vergeht. Es war eine Tour mit viel Natur, überraschend wenig Verkehr und wunderbar ruhigen Trails.
Was mich besonders begeistert hat: Die Strecke führt fast durchgehend über gut fahrbare Schotterwege, ruhige Forststraßen und abgelegene Asphaltverbindungen – ideal zum Dahingleiten. Ich habe Rehe gesehen, einen Fuchs, unzählige Greifvögel. Und manchmal fuhr ich stundenlang, ohne jemandem zu begegnen. Nur das leise Knistern der Reifen auf dem Kies und das Rascheln der Bäume im Wind.
Die Versorgung unterwegs ist,wie schon im Mühlviertel, nicht immer optimal. Aber mit etwas Vorausplanung oder einem zusätzlichen Riegel im Trikot war auch das kein Problem. Und am Ende überwiegt das Gefühl: Diese Route ist pur, ehrlich, wunderschön und viel zu wenig bekannt.
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Die Etappen im Überblick
ca. 55 Kilometer | 04:00 Fahrzeit | 1.200 Höhenmeter
Der erste Tag beginnt entspannt und genau so soll er auch bleiben. Freistadt liegt noch in Oberösterreich, aber kaum bist du auf dem Rad, merkst du, wie sich die Landschaft verändert. Die kleinen Straßen schlängeln sich durch grüne Hügel, links und rechts reihen sich Wiesen, Wälder und einzelne Höfe. Es ist ruhig. Sehr ruhig. Und das bleibt auch so.
Ein erstes Highlight der Tour ist nach etwa 40 Kilometern das Tannermoor, eines der größten Hochmoore Österreichs. Die Schotterwege, die sich hindurchziehen, sind gut fahrbar, teilweise ein bisschen feucht, aber nie technisch. Der Wald öffnet sich nur langsam. Moosteppiche, knorrige Bäume und das Gefühl, wirklich mittendrin zu sein.
Wenn du Glück hast, siehst du hier schon das erste Wild. Rehe, vielleicht ein Hase, ganz sicher aber jede Menge Vogelstimmen, die den stillen Wald beleben.
Die Strecke ist wellig, aber nie wirklich steil. Es geht rauf und runter, durch kleine Siedlungen, vorbei an einsamen Kapellen und Rastbänken mit Fernblick. Diese Hügellandschaft ist auch dafür verantwortlich, dass es am Ende etwa 1.200 Höhenmeter sind, die sich gar nicht so anstrengend anfühlen.
Besonders in der zweiten Hälfte des Tages wechselt der Untergrund immer wieder: mal grober Forstweg, mal feiner Schotter, mal ruhiger Asphalt.
Am späten Nachmittag erreichst du Arbesbach, ein kleiner Ort mit einer überraschend imposanten Ruine.
Wenn du noch Kraft in den Beinen hast, lohnt sich der kurze Abstecher zur Burg – und der Ausblick über die Wälder des Waldviertels ist ein schöner Abschluss für den Tag. Der Eintritt kostet 2,50 € an einem Automaten.
Meine Unterkunft ist einfach, aber vollkommen in Ordnung.
Und nach gut 55 Kilometern, 4 Stunden fahrt und rund 1.200 Höhenmetern schmeckt jedes Abendessen doppelt so gut.
ca. 92 Kilometer | 05:30 Fahrzeit | 1.150 Höhenmeter
Der zweite Tag beginnt, wie der erste aufgehört hat: mit viel Ruhe. Morgens liegt noch ein feiner Dunst über den Wiesen rund um Arbesbach, und die ersten Kilometer führen dich wieder über kleine Straßen und breite Waldwege durch das stille Hinterland des Waldviertels. Nachdem du den Ort verlässt, siehst du noch einige Zeit die Ruine, wie sie über dem Ort wacht.
Ein erstes echtes Highlight des Tages ist die Ysperklamm. Wenn du Lust hast, kannst du hier das Rad kurz stehen lassen und zu Fuß durch die Klamm wandern (Schloss nicht vergessen). Ein wilder, moosiger Wasserlauf mit kleinen Holzstegen und kaskadenartigen Wasserfällen. Ein wunderbarer Kontrast zu den stillen Wegen davor. Alternativ lässt sich der Abstecher auch mit dem Rad umfahren, aber wenn du Zeit hast: Es lohnt sich.
Nach der Klamm öffnet sich die Landschaft zunehmend. Es geht bergab Richtung Donau, und plötzlich wird die Strecke deutlich flacher. Für ein paar Kilometer rollst du entspannt auf dem Donauradweg dahin, bevor du bei Ybbs an der Donau abbiegst und dich wieder ins Landesinnere vorarbeitest. Der Kontrast ist spürbar: Nach den wilden Wegen und grünen Tälern wirkt die Donau fast urban, aber keine Sorge, das bleibt nur kurz so.
Die letzten Kilometer führen dich über leicht kupiertes Gelände ins Mostviertel – eine Region, die ihrem Namen alle Ehre macht: Streuobstwiesen, kleine Ortschaften, sanfte Hügel. Kurz vor Euratsfeld, deinem Ziel für heute, wird die Strecke wieder leicht ansteigend. Die Beine sind müde, aber der Weg bleibt angenehm.
In Euratsfeld findest du ein paar Gasthöfe und Privatzimmer. Nicht luxuriös, aber freundlich und sauber. Mehr braucht’s heute auch nicht.
Hinweis: Immer auf die Öffnungszeiten und Ruhetage achten. Oft gibt es Unterkunft, aber kein Essen, wie in meinem Fall!
ca. 93 Kilometer | 05:00 Fahrzeit | 1.200 Höhenmeter
Wenn du früh losfährst, liegt das Mostviertel noch still unter einem weichen Morgenlicht. Von Euratsfeld geht’s zunächst recht steil den ersten Aufstieg bergauf. Die Landschaft ist offen, du blickst weit über Wiesen, Streuobstbäume und vereinzelte Höfe. Dann, ganz plötzlich, steht sie vor dir: die Basilika am Sonntagsberg. Weiß, imposant und irgendwie aus der Zeit gefallen. Wer mag, macht hier eine Pause. Nicht nur wegen der Aussicht, sondern auch wegen der Atmosphäre. Es ist einer dieser Orte, die nicht geplant wirken und trotzdem perfekt auf der Route liegen.
Ab hier beginnt der lange, wunderschöne Teil entlang der Ybbs. Du folgst dem Fluss flussaufwärts, meist auf ruhigem Asphalt, teils auf festen, gut fahrbaren Schotterwegen.
Die Steigung ist moderat, dafür aber konstant. Es ist dieses gleichmäßige, meditative Treten, bei dem du Kilometer für Kilometer durch grüne Tunnel aus Bäumen und Feldern gleitest.
Du passierst kleine Orte wie Waidhofen an der Ybbs, mit dem markanten Schloss Rothschild, das sich mitten in der Stadt wie ein Zitat aus einer anderen Epoche erhebt. Und auch hier: Wenn du willst, kannst du einen Abstecher machen. Oder einfach weiterrollen, der Ybbs entlang.
Kurz vor Hollenstein an der Ybbs wird die Strecke wieder etwas abgeschiedener und plötzlich taucht das nächste Highlight auf: ein Strandbad direkt am Fluss. Perfekt, wenn du an einem heißen Sommertag unterwegs bist. Es gibt ein kostenpflichtiges Bad, aber es gibt ein paar Kilometer weiter ein kleineres, kostenloses Flussbad in Göstling. Kaltes Wasser, Kiesstrand, Sonne auf der Haut. Mehr Gravel-Feeling geht kaum.
Die letzten Kilometer bis Lunz am See ziehen sich ein wenig, aber der Zielort belohnt dich dafür: Eingebettet zwischen bewaldeten Hügeln liegt der Lunzer See. Ruhig, klar, ein bisschen wie aus einem alten Heimatfilm. Und rundherum findest du Unterkünfte, Gaststätten und Badestellen. Ein Ort zum Durchatmen, Ankommen, vielleicht sogar Bleiben.
ca. 50 Kilometer | 03:30 Fahrzeit | 1.200 Höhenmeter
Nach drei Tagen zwischen Wäldern, Flüssen und ruhigen Landstraßen beginnt der letzte Abschnitt deiner Tour und du spürst: Es geht Richtung Berge. Nicht in die schroffen Alpen, aber doch spürbar hinein ins alpine Vorland.
Von Lunz am See führt dich der Weg zuerst entlang des Sees, dann über einen sanften Anstieg weiter ins Hinterland. Noch einmal Wälder, noch einmal Forstwege, noch einmal Schotter unter den Reifen. Es ist, als würde sich die Strecke behutsam steigern. Nicht spektakulär, sondern stetig und stimmig.
Je näher du Mariazell kommst, desto mehr verändert sich die Szenerie. Die Orte werden weniger, die Wege einsamer, die Ausblicke weiter. Du passierst kleine Almen, weite Wiesen und überraschend gut fahrbare Anstiege. Kein technisches Gelände, aber mit rund 1.100 Höhenmetern auf den letzten 50 Kilometern doch fordernd. Wenn du an diesem Tag früh gestartet bist, rollst du am Nachmittag mit müden, aber zufriedenen Beinen in Mariazell ein.
Und dann steht sie da: die Basilika von Mariazell. Weiß, hoch, eindrucksvoll und das spirituelle Zentrum der Region, Ziel unzähliger Pilger seit Jahrhunderten, und nun auch das Ende deiner Gravelbike-Tour durch Niederösterreich. Auf dem Platz vor der Kirche sitzen Menschen mit Wanderstöcken, Radler mit Packtaschen, Pilger mit geschnürten Sandalen. Und du dazwischen mit breitem Grinsen und staubigen Waden.
Von hier aus geht es später bequem mit dem Zug zurück über St. Pölten und Linz nach Freistadt. Ein bisschen müde vielleicht, ganz sicher aber erfüllt. Denn diese Tour war kein Spektakel, aber eine Reise durch ein Stück Österreich, das man sich erarbeiten muss. Und das genau deshalb so viel länger im Kopf bleibt.
Mit Mariazell endet meine Tour, aber nicht die Gravel Austria Route. Ganz offiziell geht es von hier aus noch weiter: Etwa 250 Kilometer führt die Strecke durch das südliche Niederösterreich, vorbei an den Türmen von Lilienfeld, durch die Wiener Alpen, entlang der Hohen Wand und schließlich bis nach Wien.
Ich selbst habe mich entschieden, die Tour in Mariazell zu beenden. Nicht, weil die Strecke ab dort weniger spannend wäre, sondern weil dieser Abschnitt für mich genau das richtige Ende war: Nach vier Tagen voller Natur, Schotterwege und stiller Orte fühlte sich das Eintreffen in Mariazell einfach rund an. Und manchmal ist es ja auch ganz schön, wenn man weiß: Da wartet noch mehr. Vielleicht fürs nächste Jahr.
Wenn du also noch ein paar Tage mehr Zeit hast oder gleich die gesamte Gravel Austria Route von Vorarlberg bis Wien fahren willst, dann kannst du von hier aus nahtlos weiterrollen. Der nächste Abschnitt beginnt direkt hinter Mariazell.
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